Telefonica-kauft-E-PlusSeit Monaten erhöht der Düsseldorfer E-Plus-Konzern seine Preise auf das Niveau des Münchener Rivalen, wie uns E-Plus-Insider bestätigen. Seit Monaten reduziert der Münchener O2-Konzern systematisch den Kundendienst, wie wir aus O2-Händlerkreisen wissen. Und: Seit geraumer Zeit testet die spanische Telefónica mit sogenannten “900er”-Karten das deutsche E-Plus-Netz. Jetzt ist es raus:

Beim Kaffeetrinken kalt erwischt
Mit der Fusion von Telefónica Deutschland und der E-Plus-Gruppe entsteht eine neue Nr. 1 unter den Mobilfunk-Anbietern in Deutschland, mit 43 Millionen zahlenden Kunden, 8,3 Milliarden Euro Jahresumsatz und 32 Prozent Marktanteil, so die aktuellen Rahmendaten des neuen spanisch-holländischen Mobilfunk-Riesen “O2 PLUS”. Wenn, ja wenn die Kartellbehörden mitspielen, die Aktionäre in München und Den Haag Vorteile wittern und die Verantwortlichen nicht doch noch kalte Füße bekommen.

Sie liebt mich, sie liebt mich nicht …
Sie lieben und sie hassen sich: Die beiden E-Netz-Betreiber E-PLUS und O2 teilen das Schicksal der späten Geburt, der schwachen 1.800-Megahertz-Netze und das Image als Billigheimer. Immer wieder ploppten in den vergangenen Jahren Spekulationen über ein Zusammengehen der Düsseldorfer und Münchener Konkurrenz hoch. E-Plus-Chef Thorsten Dircks wollte schon lange die Netze zusammenlegen, wie es die Konkurrenten Orange und T-Mobile unter dem Dach des Gemeinschaftsunternehmen “Everything Everywhere” in Großbritannien 2010 vorgemacht haben.

Ich weiß nicht, vielleicht ja doch ….
Zuletzt meldete die Financial Times im April d. J., dass die hoch verschuldeten Mütter Royal KPN und Telefónica de Españya über eine Zwangehe ihrer deutschen Kinder verhandeln. Der Deal platzte in letzter Sekunde auf Wunsch von Telefónica. Nicht der erste Rückzieher der Dickschiffe: Schon im Juni vergangenen Jahres war ein Zusammenschluss gescheitert. Begründung: Die ungünstigen Bedingungen an den Kapitalmärkten. Hier hatte offensichtlich KPN die Notbremse gezogen. Immer wieder geistern Schlagzeilen dieser Art durch den Blätterwald. Dabei will eigentlich keiner von beiden so richtig mit dem Anderen in die Kiste.

Münchener Lifestyle trifft auf Discount
Mit jeweils 16 Prozent Marktanteil bei den Kunden liegt der Nachwuchs der ehemaligen Fernmeldemonopolisten aus Holland und Spanien weit abgeschlagen hinter Deutscher Telekom und Vodafone mit 37 bzw. 32 Prozent. Doch das ist bereits die einzige Gemeinsamkeit. Während O2 aus seiner Historie als Tochter der British Telecom (MMO2) eine strikte europaweite Einmarkenstrategie betrieb, setzten die Holländer auf eine angriffslustige Multi-Marken-Strategie mit zahlreichen Discount-Labels, die z.T. auch in andern Märkten, wie Belgien (BASE) und Spanien (SIMYO) betrieben werden.

Bei den Mobilfunkern brennt die Hütte
Die guten alten Zeiten sind vorbei, Zeiten, in denen sich die Mobilfunker mit Margen von bis 40 Prozent eine goldene Nase verdienten. Dabei sind es die eigenen Geister, die ihnen heute das Leben schwer machen: 2004 begann bei O2 mit TCHIBO MOBIL die “Tragödie” der Low-Cost-Angebote in Deutschland. Ein Jahr später wagte sich E-Plus mit SIMYO auf den jungen Now-Frill-Markt. Mit weit über 100 Millionen aktiven SIM-Karten haben die insgesamt 4 Mobilfunker nur mit Prepaid- und noch günstigeren Handelsmarken (z. B. ALDI TALK, JA! MOBIL oder LIDL MOBIL) überhaupt noch eine Chance, Marktanteile zu ergattern.

Nach 20 Jahren ist Schluss mit simsen
Die 2. Runde böser Geister haben sich die Mobilfunker mit dem schnellen Datenstandard UMTS (3G) und dessen aktuellem Turbo LTE (4G) eingefangen. Mit erschwinglichen Datentarifen und kostenfreien Apps von Facebook über Viber bis WhatsApp verhageln nicht nur junge Kunden dem Oligopol die SMS- und Telefonumsätze. Das sich ändernde Kommunikationsverhalten von “Talk” zu “Text” und die neue Gratis-Kultur des Smartphone-Betriebssystems Android sind ein Dorn in den Augen der verwöhnten Telcos.

Und was passiert als Nächstes?
Bis zum geplanten Abschluss der Fusion Mitte 2014 bleibt alles beim Alten: Die Anbieter und ihre Stammmarken (BASE, O2) bleiben Wettbewerber, die bestehenden Verträge behalten ihre Gültigkeit. Eine Preiserhöhung für Bestandskunden ist ausgeschlossen. Die beabsichtigten Einsparungen von 5,5 Milliarden Euro zwischen 2014 und 2019 werden vor allem hinter den Kulissen erzielt:

So werden zunächst die Netze – wie von Thorsten Dircks gefordert – zusammengelegt. Damit steigt die Qualität der Mobilfunk-Verbindungen – für die Kunden beider Unternehmen. In den letzten Monaten wurden vor allem bei E-PLUS zahlreiche Türme mit dickeren Datenleitungen versorgt, um nicht – wie die Münchener Kollegen – einen Skandal á la “Wir sind Einzelfall” zu erleben. Mit dem Telefónica-Backbone ist der neue Anbieter zudem ein Vollsortimenter auf Augenhöhe mit Deutscher Telekom und Vodofone.

Ene, mene, muh, und raus bist du!, und raus bist Du!
Als Nächstes dürfte es den Zentralen und dem Vertrieb an den Kragen gehen. Mit 7.600 und 4.600 Mitarbeitern hat der neue Tanker rd. 12.000 Mitarbeiter an Board. Je nach Markenstrategie werden mittelfristig einige Hundert Mobilfunk-Shops geschlossen werden. Neben 2 Zentralen in München und Düsseldorf kommen die Standorte Hamburg (vormals ALICE) und Nürnberg (O2 Service) hinzu. Hier dürfte kräftig durchgefegt werden.

Vor allem in der Münchener Zentrale dürfte die Fusion für blankes Entsetzen sorgen. Sind es die Mitarbeiter im O2-Tower doch seit Jahren gewohnt, ihren drei Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen: 1. in tagelangen Meetings diskutieren, was man nicht ändern möchte, 2. die restliche Arbeitszeit Kaffee zu trinken und 3. dabei beschäftigt aus dem Fenster zu gucken. Diese von einem langjährigen leitenden Mitarbeiter bestätigte Therapie dürfte ein jähes Ende finden. Denn mit der Fusion hat die Telefónica-Zentrale in Madrid die seltene Chance, den eigenen “Sauhaufen” gleich mit auszumisten.

O2 PLUS 4 Low-Cost-Marken
Mit Sicherheit wird das neue Gemeinschaftsunternehmen eine Bereinigung seiner Marken vornehmen, auch wenn Telefónica eine Mehr-Marken-Strategie anstrebt. Und da beginnt der Stress: O2 gilt als junge, hippe Marke – mit vornehmlich männlicher Kundschaft ohne Kohle in der Tasche. BASE hat sich alle Mühe gegeben, das Billigimage der Mutter E-Plus abzuschütteln. Doch die Kunden sind eher Migranten als qualitätsbewusste Stammkunden. Diese hat E-Plus in den vergangenen Monaten zwar systematisch versucht abzukündigen. Doch so schnell lässt sich kein neuer Kundenstamm aufbauen.

ALDI und LIDL unter einem Dach?
Hinzu kommt ein ganzer Markenzoo im Discount-Segment. Ob mit BLAU.DE, FONIC, SIMYO und YOURFONE gleich 4 Discount-Marken überleben, ist unwahrscheinlich. Als Erstes wird es YOURFONE erwischen. Die Fusion in die Mutter ist bereits beschlossene Sache. Kritischer wird es mit den beiden Supermarkt-Labeln ALDI TALK und LIDL MOBIL. ALDI TALK ist ein direktes Angebot von E-PLUS, LIDL MOBIL ein Service der O2-Tochter Fonic. Ob die beiden Lebensmittel-Rivalen beim gleichen Mobilfunker bleiben wollen, steht in den Sternen.

Dazu kommt noch BLAU.DE als Spezialfall, denn das Unternehmen ist eine direkte Tochter von KPN MOBILE, nicht der zum Verkauf stehenden E-Plus-Gruppe. Zunächst jedoch soll die E-Plus-Gruppe eine 100%-tige Tochter der Telefonica Germany werden, an der KPN mit 17,6% beteiligt sein wird. KPN-Chef Eelco Blok will sich anschließend auf seine Kernmärkte konzentrieren, und dies sind die Niederlande und Belgien. Übrig bleiben die hochverschuldeteen Spanier, und die haben im letzten Jahr Millionen von Euros aus ihrer deutschen Tochter rausgepresst.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein