Die Einladung von American Express ist in Deutschland noch längst nicht angekommen. Nur rd. 32% aller Deutschen hat eine Kreditkarte. Im Taxi, auf dem Wochenmarkt, an der Imbissbude und bein Späti ist schnell Schluss mit den bunten Karten. Für Deutschlands Kleinunternehmer ist bislang nur Bares wirklich Wahres.
Ein halbes Dutzend junger und etablierter Firmen will das ändern. Mit Investitionen von Großbanken, Kreditkartenfirmen, Handelsriesen und Medienkonzernen machen & Co. Jagd auf Kellnerbrieftaschen und Registrierkassen. Ihr Ziel: Deutschland zahlt in Zukunft bargeldlos – einfach und schnell. Wie das funktioniert und was es kostet – Thomas Keup hat es ausprobiert:
Berlin-Friedenau. Kosmetikerin Cornelia Hein klagt ihr Leid über das EC-Kartenterminal. Die Unternehmerin ist auf Kartenzahlungen angewiesen. Individuelle Behandlung und Pflegeprodukte – schnell kommen 50,- € und mehr zusammen. Die Inhaberin des Kosmetikstudios Bella zahlt jeden Monat an ihren EC-Terminalbetreiber, dazu Gebühren für jede Transaktion. Schließlich greift die Hausbank noch mal kräftig in ihre Kasse.
Für viele Gewerbetreibende ist das zu viel. So meiden Taxiunternehmer, Markthändler, Imbissbudenbesitzer und Kioskbetreiber Bank- und Kreditkarten oder akzeptieren Kartenzahlung erst ab 10,- €. Rund 2 Millionen Kleinunternehmer verzichten in Deutschland bislang auf Kartenzahlung, weiß der Berliner Bezahldienstleister Payleven aus der Start-up-Fabrik Rocket Internet. Genau diese Unternehmer sollen in Zukunft Bank- und Kreditkarten akzeptieren – per iPhone, Android-Phone und Tablet.
Deutschland, einig EC-Kartenland
Rd. 99 Mio. Bankkarten haben die Deutschen in der Brieftasche, vor allem die sogenannte EC-Karte, die Girocard heißt. Mit auf der deutschen Debitkarte sind die internationalen Bezahlfunktionen Maestro von MasterCard oder V-Pay von Visa. Neben den Debitkarten der deutschen Banken und Sparkassen sind nur etwas mehr als 34 Mio. Kreditkarten im Umlauf – vor allem von MasterCard und Visa. Daneben spielt American Express als Herausgeber von Firmenkreditkarten eine Rolle.
Mit Smartphone oder Tablet in der Tasche, einer Datenverbindung und einem kleinen Kartenleser kann jeder einfach und günstig Karten akzeptieren. Ein Lesegerät mit PIN-Eingabe gibt es online ab 79,- € sowie bei Conrad, in Apple Stores und Base Shops, in Media Märkten, in der Metro, in o2- und Telekom-Shops sowie bei den Volksbanken. Die Apps für iPhone und Android-Phones können kostenlos aus App- bzw. Play Store installiert werden. Startkosten, monatliche Grundgebühren oder Mindestumsätze gibt es nicht.
Praktisch, aber nicht sichererererer
Die meisten Anbieter – u. a. ConCardis, iZettle, Payleven und Streetpay – arbeiten laut Fotos mit dem mPOS-Terminal MIura Shuttle. Das gerade in die Diskussion geratene Gerät kostet zwischen 79,- € bei iZettle und 149,- € bei Streetpay. SumUp bietet einen eigenen Kartenleser an. Lesegeräte ohne Chip-Abfrage (u. a. für 20,- bei SumUp und VR-Banken) verlieren an Bedeutung. Amex und Visa haben diese Lesegeräte nicht zertifiziert. Sie unterstützen nicht den sicheren EMV-Bezahlstandard.
DIe Zahlung per EC-Karte (über Maestro- oder V-Pay-Funktion) schlägt bei den meisten mPOS-Anbietern mit 0,95%, per Amex, MasterCard oder Visa mit 2,75% zu Buche. Payleven greift bei Amex mit 3,5% deutlich tiefer in die Tasche. Streetpay verwirrt mit unterschiedlichen Prozenten bei Zahlung mit Unterschrift oder PIN. Neben der Akzeptanz per Kartenleser + App bieten iZettle, Streetpay und SumUp auch die Zahlung nur per App an. Hier verlangt iZettle mit 3,5% plus 0,15€ je Transaktion deutlich mehr.
Schnell, einfach und jederzeit Geld
Um Karten zu akzeptieren muss sich der Händler oder Dienstleister online bei einem Anbieter anmelden. Zu den notwendigen Daten gehörendie Umsatzsteuer-ID und Bankverbindung. Diese muss mit einer Testüberweisung bestätigt werden. EC-Zahlungen werden dann in der Regel in 1 bis 2 Tagen überwiesen, Kreditkartenzahlungen innerhalb 1 Woche. Dabei spielt es keine Rolle, wieviel Umsatz der Händler gemacht hat. Die Anmeldung ist in Minuten erledigt. Komplizierte Verträge mit Kreditkartenunternehmen oder Zahlungsabwicklern entfallen.
Die Zahlung ist ebenfalls schnell und einfach möglich. Zunächst muss das Lesegerät per Bluetooth mit Smartphone oder Tablet gekoppelt werden. Hier hatten wir Probleme mit dem Standardgerät von Miura. Ist das Gerät einmal gepeert steht der Zahlung nichts mehr im Weg. Die Karte wird eingesteckt, der Chip ausgelesen. In der App werden Betrag und Verwendungszweck eingetragen. Jetzt unterschreibt der Kunde per Finger auf dem Smartphone oder per PIN. Auf Wunsch wird eine Quittung per E-Mail verschickt.
Ihre Zahlung ist hiermit bestätigt.
Im Online-Account kann der Händler vorab Produkte und Gruppen festlegen, die er bei der Zahlung einfach auswählt. Ebenso kann die Online-Quittung mit eigenem Logo und persönlichem Text verschickt werden. Alle Anbieter bieten eine kostenfreie Auswertung der akzeptierten Zahlungen. Damit hat der Gewerbetreibende wichtige Daten zu Akzeptanz und Umsatz immer online im Blick.
Das Modell lohnt sich für Kleingewerbetreibende und Freiberufler, die weniger als 100.000,- € im Jahr mit Bank- oder Kreditkarten umsetzen. Zwar zahlen sie rd. 1% mehr Disagio pro Transaktion, dafür müssen sie weder ein zertifiziertes Kartenlesegerät für rd. 20,- bis 40,- €/Monat mieten oder für ca. 500,- bis 1.000,- € kaufen. Für große Händler spielen Hardware-Kosten hingegen keine Rolle. Sie achten vor allem auf die Gebühren.
Die üblichen Verdächtigen …
Hinter den Payment-Facilitatoren stecken namhafte Player u. a. aus dem Finanzsektor: So hat Amex in iZettle und SumUp und die spanischen Großbanken Santander in iZettle und BBVA in SumUp investiert. Hinter ConCardis (vormals GZS) stehen die deutschen Banken und Sparkassen, iZettle wird vom schwedischen Zahlungsabwickler Equens unterstützt und hinter Streetpay steckt der britische Zahlungsdienstleister Masterpayment. Außerdem vertreiben die VR-Banken iZettle und die Schweizer UBS das Konkurrenzprodukt SumUp.
Neben Banken und Kreditkartenfirmen tummeln sich auch Medien- und Handelshäuser hinter den Mobile-POS-Firmen: Rocket Internet hat für sein Payleven Geld beim Großverlag Holtzbrinck und bei den Kindern des italiensichen Medienmoguls Berlusconi eingesammelt. Investoren von Konkurrent SumUp sind u. a. Shortcut Ventures – der deutsche Investmentarm des Mobilfunkers KPN Mobile (E-Plus-Gruppe) und der Handelsriese Tengelmann. Hinter Yapital steht der deutsche Online-Gigant Otto Group
Bezahlen Sie mit einem Tweet
Die Idee für das mobile Bezahlen ist nicht neu. Vor 5 Jahren startete Twitter-Gründer Jack Dorsey das amerikansiche Vorbild Square. In den USA werden jährlich über 6 Mrd. US-Dollar über die Zahlungsterminal abgewickelt. In Europa gilt das schwedische Startup iZettle als Vorbild, in Deutschland liefern sich die beiden Berliner Startups Payleven und SumUp ein Rennen. In ihrem Windschatten segeln außerdem Streetpay und ConCardis OptiPay (ab Ende 2014). Hinter ihnen stecken die Zahlungsdienstleister ConCardis bzw. Masterpayment.
Eine Sonderlocke spielen die App-basierten Zahlungsdienste Here von PayPal und Yapital von Otto. Der PayPal-Dienst hat ebenfalls ein Lesegerät mit PIN-Pad angekündigt, startet in Deutschland aber zusammen mit Payleven zunächst das Bezahlen per Foto in Cafés und Geschäften. Der Otto-Zahlungsdienst setzt auf QR-Codes, die an der Kasse zum Bezahlen per App genutzt werden. Beide Anbieter arbeiten mit einer virtuellen Geldbörse (E-Wallet), die auch das Bezahlen per Guthaben und im Internet ermöglicht.
Kartenzahlung für Kleinbetriebe
Für kleine Händler und Dienstleister wie Cornelia Hein ist die Lösung per Smartphone und Kartenlesegerät eine gute Möglichkeit, einfach und günstig Bank- und Kreditkarten zu akzeptieren. Ob Handwerker oder Kopfarbeiter – mit einem mPOS-Gerät in der Tasche können spontan Geschäfte abgewickelt werden. Auch für Taxisfahrer sind iZettle & Co. im Vergleich zu Investitionen bis zu 1000,- € oder umständlicher Kartenzahlung via Funkzentrale ein Segen. Die 23.000 Taxibetreiber im Branchenverband BZP können Kartenleser günstig bei Payleven kaufen, Konkurrent SumUp hofiert Droschkenfahrer über Taxi.de.
Fazit: Die meisten Anbieter ähneln sich bei Kartenlesegerät, Transaktionsgebühren und Services bis ins Details. Aus unserer Sicht werden die Anbieter das Rennen machen, die über Branchendienste und -verbände, Einzel- und Großhhandel sowie Banken und Mobilfunkshops am Besten an Dienstleister und Gewerbetreibende herankommen. Der Wettbewerb in Deutschland hat gerade erst begonnen. Eines steht jedoch bereits fest: In Zukunft werden weit mehr als die aktuell nur rd. 40% Zahlungen per Kreditkarte abgewickelt.